AKTUELL 2024

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Hallo alle zusammen, hier sind meine Gedanken zum Jahresbeginn für 2024           

Wie geht Yoga in der heutigen Zeit  ?

Brainstorming 

 Yoga, ein Freiraum ?

Yoga ist da, wo ich mich erhole ?

Yoga, mein Sport ?

Yoga für meine Gesundheit ?

Yoga gegen Stress ?

Yoga für ein Lebensgefühl von Leichtigkeit ?

Yoga, um bei mir anzukommen ?

Yoga, ein Weg zur Bewusstseinserweiterung ?

Zeit für Yoga ?

Yoga, etwas gegen die Trägheit ?

Yoga, ein Gruppenerlebnis ?

Yoga immer noch, heutzutage ?

Yoga gerade heutzutage ?

Yoga, was denn sonst ? 

Bitte Zutreffendes ankreuzen. Wenn sie bei zwei Fragen mit einem klaren Ja antworten können, lohnt es sich beim Yoga zu bleiben oder einzusteigen. Wenn Sie aber dann alle übrigen Fragen verneinen, hmm, ….keine Ahnung. Solche Tests sind wahrscheinlich Quatsch.

 

2024 ins Yoga einsteigen oder einfach wie immer Yoga weitermachen.

Aus Erfahrung gut, Yoga tut gut. Dieses entspannt konzentrierte Bewegen mit größtmöglicher innerer Gelassenheit.

Ich entscheide mich, gehe los, komme in die Yogastunde und bin zwei Stunden später im großen und ganzen angenehm müde und frisch zugleich, heiter und wach, entspannt und gelassen.

Ich erwarte gar nichts, bin skeptisch, mache aber gerne mal alles mit. Vertraue auf das ehrliche Bemühen der Yogalehrerin, eine gute runde Stunde geben zu wollen und das auch zu können.

Ich erwarte natürlich etwas, sonst wäre ich ja nicht da. Es soll was dabei rauskommen. Ich gehe ja dahin, bin da, und muss wieder heimgehen. Locker drei Stunden Lebenszeit. Muss schon was taugen.

Wenn ich mich schon auskenne mit so einer Yogastunde, und mir das normalerweise gefällt, dann soll es einfach so weitergehen. Danach habe ich das Gefühl, rundum etwas Gutes für mich getan zu haben.

Und ich war mal kurz raus aus dem alltäglichen Traintrain.

Manche alten Yogalehrer nennen Yogastunden auch Sitzungen: Yogasitzung. Es ist eine Zusammenkunft zu einem Zweck. Es ist kein Gottesdienst, nein, nein, aber manchmal fühlt es sich schon ein bisschen heilig oder so ähnlich an, vor allem, wenn die Yogalehrerin ihre Einführung macht oder Dinge begründet oder erzählt. Manchmal passt es, manchmal ist es unangenehm, manchmal schläft man dabei ein. Oder fast.

Auf jeden Fall oder meistens jedenfalls wird OM gechantet und Shanti dreimal dazu. Das ist ja schließlich nicht nichts. Es sind schöne Töne und es ist ein Ritual. Es ist das Ende der Stunde. Wie Amen. Ja, ein bisschen ist das so.

Eine Yogastunde ist eine geistige Erfrischung. Om und Shanti zu singen, bedeutet den Frieden und die Kraft des Wortes hochzuhalten. Da können wir mitgehen !

Frieden immer wieder anzurufen, natürlich, wer könnte dagegen sein, es beinhaltet auch Gewaltlosigkeit in der Konfliktlösung, und auf jeder Ebene, deshalb auch dreimal.

Und das OM ? Wenn man etwas tiefer in die Bedeutungen und Interpretationen des OM eintaucht, ist dieser Laut durchaus verwandt mit AMEN, es ist der Laut, der in den indoeuropäischen Sprachen alle Töne in sich verdichtet (vielleicht sogar alle der Welt, aber das sollen Experten entscheiden) und das bedeutet eine Lobpreisung des Logos, des Wortes und damit der Sprache, des Denkens und der Vernunft. Alles das, was sich der Mensch als menschliches Wesen zuschreibt.

2024 wird der 300. Geburtstag des Philosophen Kant gefeiert. Das übliche Problem mit Philosophen: man hat mal was von ihm gehört, womöglich in der Schule, es war hauptsächlich todlangweilig, irgendetwas musste auswendig gelernt werden und da war das Wort Aufklärung, Gähn und nochmal Gähn, das klingt so fürchterlich nach Schule und soooo trocken. Wir waren 16 ,17 oder 18 Jahre alt und wer da nicht der geborene Bücherwurm und Nachdenker war, hatte eigentlich anderes im Sinn.

Die österreichische Schriftstellerin Inge Merkel hat das Problem am Beispiel der alten Sprachen beschrieben: sie selbst war Studienrätin für alte Sprachen. Sie sagte, die Lehrpläne tun alles, um den Schülern die Antike, die alten Sprachen, die Literatur des klassischen Altertums gründlich zu verleiden, indem sie sie mit Grammatik traktieren. Man atmete auf, als diese Zeit vorbei war und schob all das weit von sich. In Wirklichkeit waren viele antike Stoffe höchst „unsittlich“, und bei richtiger Erklärung äußerst anregend für kritisches Denken. So ist es mit Kant eigentlich auch. Den alten konservativen Herren war dies nicht lieb und so lernten wir mit der Grammatikpaukerei hauptsächlich römische und griechische Militärgeschichte. Inge Merkel hat selbst einige wirklich kurzweilige Romane mit antiken geschichtlichen Stoffen geschrieben.

Mit dieser Parenthese über Inge Merkel wollte ich dahin führen, sich nicht bei dem Wort Kant mit einem Gähnanfall abzuwenden, sondern hinzuhören, wenn die schlauen Professoren von heute ihre Podcasts mit der Bedeutsamkeit Kants für die heutige Zeit füllen.

Kant hat von 1724 – 1804 zur Zeit der Französischen Revolution und der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung gelebt, eine aufregende Zeit.

Soviel habe ich von Kant verstanden, dass er den Menschen im Verhältnis zur Natur als etwas Besonderes definiert hat, insofern als der Mensch ein ihm innewohnendes Wissen von Richtig und Falsch oder Gut und Böse habe, daher kommt denn auch der berühmte kategorische Imperativ:

Handle nur nach der Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.

Der Mensch hat die Fähigkeit, selbst zu denken, er sollte sich das zutrauen, sapere aude. Und er hat einen freien Willen. Er ist damit vom Rest der Natur unterschieden. Hier öffnet sich der Weg zu viel Diskussion und viel Philosophiestudium, aber lassen es wir mal so gesetzt.

Natürlich ist es mit Kant so wie mit den Urhebern der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung: ihre Texte und Worte gelten und können als solche diskutiert werden, auch wenn ihre Urheber durchaus nicht auf der Höhe des von ihnen Gesagten handelten. Stichwort Jefferson: er als wesentlicher Gründervater der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung stellte die Gleichheit aller Menschen fest und hatte doch selbst 600 Sklaven. Kant selbst hatte auch ein sehr merkwürdiges Menschenbild und viele machen es sich jetzt leicht und sagen, ich lese doch nichts von einem Rassisten.

Es ist so : die wertvollen Gedanken über Ethik, Moral, freien Willen, Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit wurden oft von Menschen erstmals ausgesprochen, die selbst bedenkliche Lebensweisen und -anschauungen hatten.

Es gibt die schönsten Yogazentren und ihre tollen Obergurus, die sich dann sexuelle Übergriffe leisteten. Und Yoga ist eine Ware. Das kapitalistische Prinzip durchzieht die Yogawelt. Es gibt auch hier Neid und Missgunst, übles Gerede. Die Realität ist ganz oft schrecklich. Und genau das ist an der Wende von 2023 nach 2024 so: Kriege und Katastrophen, unersättlicher Kapitalismus und so weiter...

Ich kann nur T R O T Z D E M sagen: die Gedanken der Aufklärung sprechen mich an, ich kann ihnen beipflichten. Ich denke durchaus, dass wir uns einer Ethik und Moral verpflichtet fühlen, dass wir sie sehr wohl in uns fühlen und Gewissheit haben, was richtig und falsch ist.

Und ich sage nicht, wir sollen uns dieser Ethik und Moral verpflichtet fühlen, sondern dass es schon so ist. Wir fühlen uns ihr verpflichtet, weil sie ein allgemein gültiges Moralprinzip für Menschen ist. Das hat Kant zu Papier gebracht.

Wir können also auf eine Tradition zurückgreifen, wenn wir uns für eine bessere Welt einsetzen und dafür kämpfen wollen.

Yoga ist auch eine menschengemachte Lehre, auch wenn manchmal gelehrt wird, wie sie von den Göttern zu den Menschen kam, aber so was ähnliches haben wir ja im Christentum auch.

Kant sagt, die Prinzipien von richtig und falsch sind gesetzt und können nicht einfach von den Menschen nach Ihren Wünschen (bzw. Herrschaftsgelüsten) interpretiert werden. Sie sind einfach da und wir wissen es, wenn wir nur wirklich selbst denken.

Widersprüche, Diskrepanzen, Verlogenheiten, Anspruch und Wirklichkeit

Hierzu hat der Historiker und Philosoph Omri Boehm mit Beispielen aus der amerikanischen Geschichte gezeigt, wie die Ideen der Aufklärung pervertiert wurden und damit die Geschichte des Rassismus in Amerika beeinflusst wurde. Sklaven sollten nach und nach immer mal ein bisschen mehr Freiheit und Möglichkeiten bekommen, so wie es der weißen Herrschaft gerade passte. Dazu führt er ausführlich die Geschichte vom Abolistionisten John Brown und hundert Jahre später die Briefe von Martin Luther King aus dem Gefängnis in Birmingham 1963 an. Omri Boehm holt so weit aus, um - trotz alledem - für einen radikalen Universalismus zu plädieren, seine Utopie, seine Alternative für einen Frieden in Nahost zu präsentieren und damit radikal, also an die Wurzeln, der Gedanken der Aufklärung  anzuknüpfen. 

Yoga bedeutet Verbinden, Vereinigen, auch Anschirren, ins Joch bringen, mit einem anderen Wort Kultivieren. Das Richtige und Gute zu kultivieren, denn wir wissen alle um die Neigungen, Triebe, sagen wir mal Abwärtstrends, die in uns wirksam werden können. So ist eine „Yogasitzung“ natürlich auch eine Selbstvergewisserung, in der wir uns zusammenfinden, um genau das zu pflegen, von dem wir wissen, dass es richtig und gut ist.

Und zum Schluss, falls ihr bis hierher durchgehalten habt, sehr passend dazu, die Komponente für das Herz, direkt aus einer Institution, mit der wir aus guten Grund so sehr hadern: aus dem christlichen Leben, aus der Kirche. Die Kirche hat folgende Losung für 2024 gewählt: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. (aus einem Paulusbrief an die Gemeinde von Korinth, in der Zwist herrschte).

Übersetz es für dich in Yogasprache : „Möge alles, was ich tue, in Liebe geschehenund lasst uns darüber meditieren und in die Stille gehen.

 

Weiterlesen z. B. :

Omri Boehm, Radikaler Unversalismus, jenseits von Identität. Universalismus als rettende Alternative, Übersetzt aus dem Amerikanischen, Berlin 2022

Inge Merkel, Eine ganz gewöhnliche Ehe, Odysseus und Penelope, Wien 1987; Das große Spektakel, Wien 1990; Sie kam zu König Salomon, Salzburg, 2001

Madeleine Miller, Das Lied des Achill, München 2020; Ich bin Circe, München 2019